Accademia Vergani

Weisses Rössli

Federico Freiermuth ist ein vollendeter Gastgeber. Zusammen mit dem Chefkoch Mathieu Bacon und der Chef de Service Christina Aigner führt er das Restaurant Weisses Rössli an der Bederstrasse in Zürich. Der wortwitzige Gastronom mit Familiensinn steckt voller Ideen.

 

   

Wenn einer seinen Hot-Dog-Service «Dogfather» nennt und die Hot Dogs an einem eigenen Stand in Pathé-Kinos angeboten werden, darf man hinter der Idee schon mal einen hintersinnigen Kopf vermuten. Wenn dieselbe Person in ihrem eigentlichen Restaurant den Eingang ins Keller-Séparée mit der Leuchtschrift «Die Stimmung ist im Keller» versieht, ist definitiv klar, dass in diesem Kopf mehr steckt als nur ein Glückstreffer in Sachen Wortwitz. Tatsächlich zeigt sich Federico Freiermuth im Gespräch voller überraschender Bemerkungen. Ein weiteres Amuse-Bouche gefällig? «Ich wollte mein Leben mit Reisen verbringen. Mein entferntestes Reiseziel ist Sankt Moritz.» Was natürlich auch ein bisschen geflunkert ist, denn immerhin hat der 33-Jährige den Grossteil seiner Kindheit und Jugend in Südamerika verbracht und war ein Jahr lang in Australien unterwegs.

 


 

Doch zurück nach Zürich an die Bederstrasse ins Restaurant Weisses Rössli. Seit zwei Jahren führt Federico das heimelige Lokal mit der zum Séparée umfunktionierten Kegelbahn im Keller. Federico ist, was man einen Gastgeber mit Herzblut nennt. «Es gibt mir einen Kick, wenn die Gäste happy nach Hause gehen», sagt er. Dann würden sie gerne wiederkehren, bald zu Freunden werden und irgendwann fast Familie sein. «Normalerweise lesen Gäste die Menükarte von rechts nach links: Zuerst den Preis, danach das Gericht», beginnt er. Dies sei das Gegenteil von genussvoll. «Ich wollte, dass die Gäste wählen, worauf sie wirklich Lust haben.» Deshalb führt seine Speisekarte lediglich die Preise für die Anzahl der Gänge auf – egal was man bestellt. Zwei Gänge kosten etwa 65 Franken, ein Viergänger kommt auf 95 Franken zu stehen. Wasser dazu gibt’s gratis à discrétion, der abschliessende Kaffee ist ebenfalls offeriert. «Falls jemand Lust hat, Weiteres aus Mathieus Küche zu probieren, empfehlen wir Zwischengänge», sagt Federico. Das Konzept ist beliebt, die Gäste schätzen es, wenn sie nicht Bauchschmerzen von zu viel rechnen bekommen. Einzig für Mathieus Kalbsbäggli wird etwas mehr verlangt.

 

«Er überrascht uns immer wieder mit ungewöhnlichen Gewürzen oder der Verwendung von Früchten»

Federico Freiermuth, Gastgeber Weisses Rössli

 

Damit zu Mathieu Bacon, Küchenchef. Der Jurassier ist das zweite Energiebündel im Betrieb. Ohne Mathieu und die Chef de Service Christina Aigner wäre das Weisse Rössli nicht derselbe Treffpunkt für Gourmets. Manche Gäste kämen nur wegen Mathieu hierher, sagt Federico: «Er hat seine eigene Fangemeinde.» Im Gegensatz zu Federico ist Mathieu tatsächlich um die Welt gereist und gehört zu den erfindungsreicheren Köchen Zürichs. Er hat das Weisse Rössli auf 14 Gault-Millau-Punkte-Niveau gekocht und für eine Erwähnung im Guide Michelin gesorgt. (Wobei Federico flunkernd sagt, der eine Gault-Millau-Punkt gehöre ihm, denn schliesslich habe Mathieu nur 13 Punkte mit ins Lokal gebracht.) Zwar würden ihn die Punkte stolz machen, sagt Mathieu, spielten in seinem Wirken aber eher eine untergeordnete Rolle. «Ich koche, was mir Freude macht.» Stets findet er Wege für ungewöhnliche Kombinationen aus Produkten und Aromen. Sein Signature-Gericht, die Kalbsbäggli, sind beispielsweise auch wegen der darin verwendeten Tonkabohnen zum Rössli-Klassiker geworden. «Er überrascht uns immer wieder mit ungewöhnlichen Gewürzen oder der Verwendung von Früchten», sagt Federico. Der Küchenchef selbst will aber nicht alle Lorbeeren auf seinem eigenen Kopf tragen. «In der Küche sind wir ein Team, wir tauschen uns aus. Hat jemand eine gute Idee, kommt sie auf die Karte», sagt Mathieu. Inspirieren lässt er sich zudem von Büchern sowie Instagram- und Facebook-Posts.

 

 

Auf neue Trends springen Federico, Mathieu und Christina aber nicht leichtfertig auf. Zwar hat Federico neben seinem Hot-Dog-Service, den er trotz Restaurant weiterführt, soeben auch einen Picknick-Service gestartet. «Als passionierter Motorradfahrer geniesse ich gerne selbst unter freiem Himmel», sagt er. Statt in Körben erhalten die Kunden das Picknick in ausrangierten Weinkisten, die sie gleich auch als Tischchen benutzen können. Vom Trend des Foodsharings sind indessen weder er noch Christina Freunde. Federico: «Ich bin ein Egoist, wenn es ums Essen geht.» Christina bestätigt. Trotzdem liebe er das italienische Gefühl der Famiglia, das ihn auch mit der Familie Vergani verbindet. «Gianni hat im Chez Fritz geheiratet, wo ich damals tätig war», erinnert er sich. Daraus habe sich eine private wie auch berufliche Freundschaft entwickelt. Das italienische Lebensgefühl äussert sich aber auch beim – Foodsharing. Im Keller Séparée kommen die Speisen nämlich als Tavolata auf den überlangen Tisch. Wie bei einer Tavolata üblich, wird der Food geteilt. Was tatsächlich Stimmung in den Keller bringt.

Bild: Flavio Karrer | Text: Jan Graber | Quelle: Edizione Vergani 12

 

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